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Gedankenwald – Individualtraining für Mädchen

Tagebucheintrag zum Thema Loslassen und Auftanken

Mein Wecker klingelt. Schnell drücke ich die Snooze-taste und schlummere wieder ein. Erneut höre ich die Melodie des Weckers. Sie geht mir auf den Wecker. Warum muss ich überhaupt aufstehen? Ich bin müde und fühle mich ohnmächtig. Meine Muskeln sind verkrampft und ich spüre, wie mein Schädel brummt. Mit viel Kraft stehe ich auf, ziehe meine grauen Trainerhosen und meinen Lieblingshoody mit dem goldenen Stern drauf an und gehe nach draussen. Der kalte Wind zieht durch den Reissverschluss meines Hoodys und meine Knöchel stechen vor Kälte, da ich meine weissen kurzgeschnittenen Sneakers angezogen habe.

Ich fühle mich so leer und grau wie der Nebel, der durch die Gassen schleicht. Missmutig, aber trotzdem etwas neugierig nehme ich all meinen Mut zusammen und mache mich auf den Weg an diesen neuen Ort. Ehrlichgesagt habe ich keine Lust dazu. Warum wollen sich nur immer alle in mein Leben einmischen?

Ich muss einen grossen Rucksack mit allen möglichen Outdoorutensilien packen. Er ist schwer beladen und sieht ziemlich unförmig aus. Mein Mittagessen kaufe ich selbstständig ein. Es fällt mir schwer mich dazu zu motivieren. Ich verspüre eine grosse Angst etwas zu vergessen, der Aufgabe nicht gerecht zu werden. Am liebsten wäre ich jetzt einfach unter meiner warmen Bettdecke in meinem Zimmer…sicher von all den Erwachsenen, die sich ständig in meinem Leben aufdrängen. Sicher von neuen Aufgaben, die für mich schwierig zu lösen sind. Da ich den doofen Rahm auf Anhieb nicht finde und mich nicht getraue nachzufragen, wo sich dieser befindet, muss ich die Sauce meines Mittagessens später wohl ohne Rahm kochen. Ist mir egal.

Den Marsch bis in den Wald zieht sich lange dahin. Meine Beine sind schwer und meine Gedanken kreisen um den Stress in der Schule, den Streit Zuhause und um den Beziehungsknatsch mit meinem Freund. Dicke Tränen rollen mir über die Wange und während des Gehens beginne ich laut zu schluchzen. Durch die Bewegung innerlich wie auch körperlich sticht und rast mein Herz. Alles fühlt sich schwer und trostlos an. Obwohl sich meine Schultern durch den schweren Rucksack zusammenziehen und ich nicht mehr kann, tut mir das ziellose Gehen gut. Mit jedem Schritt näher am Wald beginnt sich ein befreiendes und wärmendes Gefühl in meinem Körper einzustellen. Das beklemmende Gefühl in meinem Brustkorb lässt sich durch die frische Luft, dem stetigen tiefen ein- und ausatmen besänftigen. Der Wald strahlt eine mächtige Ruhe und Sicherheit aus. Ich suche mir ein lichtdurchflutetes, weiches Plätzchen unter einer schönen Tanne aus und lege mich ins weiche Moos. Ruhe. Nur das Zwitschern der Vögel lässt mich zwischendurch aufhorchen. Bei jeder Bewegung meines Körpers knistern die verdorrten Buchenblätter unter mir. Ich liege da, lausche, atme und entspanne mich. Es fühlt sich an, als würde der ganze Ballast, alle beklemmenden Gefühle, die Wut und die Trauer langsam durch mich hindurchfliessen und im Waldboden versinken. Danach spüre ich auch in mir eine grosse Ruhe.

Plötzlich habe ich Lust aufzustehen und ein Feuer zu entfachen. Es stellt sich als eine mühsame Aufgabe heraus, da das ganze Holz, welches ich sammle, durchnässt ist. Es braucht viel Nerven und meine Geduld ist schnell am Ende. Trotzdem bleibe ich beharrlich und gebe nicht auf. Nach dem vierten Versuch gelingt es mir ein Feuer zu entfachen. Die Flammen lodern und ich empfinde Stolz, Kraft und Freude. Die Wärme des Feuers nährt meine Seele. Auf meinem Feuer koche ich mein Mittagessen, was mir ausgezeichnet gelingt. Ich geniesse das Essen, den warmen Tee und das wohlige Gefühl in meinem Körper, welches sich nach dem Essen einstellt.

In dieser Ruheoase kann ich Loslassen und neue Energie und Kraft für meinen Alltag auftanken. Ich merke, dass sich der Wald für mich von einem dunklen unsicheren Ort in einen Ort der Sicherheit verändert hat. Ich fühle mich nach diesem abenteuerlichen Erlebnis in mir gestärkt und verwurzelt. Es tut mir gut in Ruhe zu kommen und mich mit mir und meinen Stärken zu beschäftigen.

Ich bin zuversichtlich, dass es mir beim nächsten Einkauf gelingen wird, nach dem Rahm zu fragen.